Das Tagebuch der Maria Meinhof

03.05.2005
Gasthaus "Zum Mühlengraben"
Dorfstraße 47 in 17398 Bugewitz

Behutsam der Erinnerung Ausdruck verliehen
Kriegsende: Renate Meinhof liest aus dem Tagebuch ihrer Großmutter – ganz nah am Ort des Geschehens
von Niko Wasmund

Renate Meinhof mit dem Tagebuch der Maria Meinhof

Nordkurier vom 6.5.2005
Bugewitz. Ein kleines Töpfchen Vergißmeinnicht steht auf dem hölzernen Tischchen, hinter dem Renate Meinhof Platz genommen hat. Sie sei sich der besonderen Bedeutung dieser Lesung bewußt, sagt sie nach kurzer Einleitung Holger Brandstädts vom einladenden Kulturverein Weitblick Bugewitz leise, bevor sie mit der ersten Passage beginnt.
Bestehend aus dem Tagebuch ihrer Großmutter, damals Pastorenfrau in Ducherow, sowie aus selbst recherchierten Zeitzeugenberichten über die dortige Zeit zum Ende des zweiten Weltkrieges hat Renate Meinhof kürzlich ‘Das Tagebuch der Maria Meinhof’ veröffentlicht.
Wie liest also eine Enddreißigerin, wenn sie über Gewalt, Tod und Elend im mecklenburg-vorpommerschen Ducherow berichtet und eine große, zumeist der älteren Generation zugehörige Zuhörerschaft im Bugewitzer Gasthaus ‘Zum Mühlengraben’ teils selbst diese Zeit durchlitten hat?
Der auf Rügen geborenen Redakteurin der Süddeutschen Zeitung gelingt die Gradwanderung, indem sie behutsam und nur leicht betonend diesen schlimmen Erinnerungen durch ihre Stimme Ausdruck verleiht.
Erinnerungen an die Nacht vom 28. auf den 29. April, als die Russen nach Ducherow kamen. Anwesende nicken immer wieder stumm, andere wischen sich Tränen aus den Augen, als von den nächtlichen Schreien der vergewaltigten Frauen die Rede ist, oder von den etlichen Selbstmorden aus Angst den Besatzern in die Hände zu fallen. Aus Gesprächen mit der Ducherowerin Ursel Klühs berichtet Renate Meinhof aber auch über den Tod von deren Vater, dem Ducherower Kaufmann August Winkelmann, der nur wenige Tage vor dem russischen Einmarsch der Willkür des Gauleiters und seines Standgerichtes zum Opfer fiel.
Sie sei überrascht und erfreut, das so viele Menschen gekommen seien, erzählt Renate Meinhof im Anschluß an die Lesung, nachdem sie unzählige Exemplare ihres Werkes signiert und Gespräche mit Anwesenden geführt hat. Es sei doch etwas ganz Besonderes, an den Ort zu kommen, an dem sich die Dinge aus dem Tagebuch ihrer Großmutter und aus den Erzählungen der Zeitzeugen tatsächlich abgespielt haben.